C. Cordoba: Au-delà du rideau de bambou

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Titel
Au-delà du rideau de bambou. Relations culturelles et amitiés politiques sino-suisses (1949–1989)


Autor(en)
Cordoba, Cyril
Erschienen
Lausanne 2020: Éditions Alphil
Anzahl Seiten
427 S.
Preis
CHF 39,00
von
Thomas Bürgisser, Diplomatische Dokumente der Schweiz / Universität Basel

Die Einflussnahme des chinesischen Regimes auf europäische Länder wird in Medien und Politik in den letzten Jahren zunehmend angeregt und kritisch diskutiert. Cyril Cordobas Studie untersucht die kulturellen Kontakte zwischen der Volksrepublik China und der Schweiz im Kalten Krieg und liefert somit spannendes Hintergrundmaterial für diese zeitgenössische Debatte.

Während der Artikel zu China im Historischen Lexikon der Schweiz (Version von 2009) die bilateralen Beziehungen noch auf einer relativ schmalen Literaturbasis und schwergewichtig anhand der Arbeiten von Michele Coduri zu den 1950er Jahren rekonstruiert,1 hat sich der Forschungsstand seither durch eine Reihe von wissenschaftlichen Beiträgen und studentischen Qualifikationsarbeiten erfreulicherweise zeitlich wie thematisch erheblich erweitert. Besonders hervorgetan hat sich dabei die Universität Fribourg, an der 2019 auch Cyril Cordoba seine Dissertation verfasst hat. Das Schwesterprojekt seiner Doktorarbeit ist die ebenfalls am Lehrstuhl von Claude Hauser entstandene Habilitationsschrift von Ariane Knüsel, welche die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen im sino-schweizerischen Verhältnis beleuchtet.2 Auch Cordobas Studie wurde inzwischen in englischer Übersetzung publiziert.3 Damit besteht nun eine fundierte Grundlage für weiterführende zeitgeschichtliche Untersuchungen zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und China im Kalten Krieg und darüber hinaus.

Cordoba gliedert seine Studie in drei Teile. Zu Beginn steckt er in den Kapiteln 1 bis 3 die politischen Rahmenbedingungen für die Entfaltung einer chinesischen Kulturpropaganda in der Schweiz und vice versa für die schweizerischen Vermittlungsbemühungen ab. Dazu gehört auch die Analyse des überschaubaren Kreises von Akteurinnen und Akteuren: Schriftstellerinnen, Musiker, Film- und Theaterschaffende, die zu Gastspielen in die Volksrepublik reisten oder vom Regime rekrutierte Lehrpersonen, vornehmlich aus der französischen Schweiz. Die Inkompatibilität der maoistischen «Volksdiplomatie» und ihrem revolutionären Impetus mit den bürgerlichen Institutionen wie der Stiftung Pro Helvetia erwies sich als Handicap. Die bescheidenen Kontakte der ersten Jahrzehnte waren von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Tatsächlich legten die Kulturkontakte zwischen den Protesten der Zürcher Studentenschaft gegen die Tournee der Pekinger Oper im Jahr 1958 und der Besiegelung der Städtepartnerschaft zwischen der Limmatstadt und der südchinesischen Metropole Kunming 1982 einen weiten Weg zurück. Voraussetzung war einerseits die Entmaoisierung der Kommunistischen Partei Chinas und andererseits die Abkehr von der Geistigen Landesverteidigung in der Schweiz. Mit der Öffnungspolitik Deng Xiaopings und den neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten fanden schliesslich beide Seiten eine gemeinsame Sprache, wie Cordoba schreibt, «celle du dollar» (S. 125).

Im zweiten Teil (Kapitel 4 bis 6) geht Cordoba auf die chinesisch-schweizerischen Freundschaftsgesellschaften ein, deren Personal sich in den 1950er Jahren noch aus dem Dunstkreis der moskautreuen Partei der Arbeit rekrutierte, später aus maoistischen Gruppierungen, die aus der antikolonialistischen, oft auch antisowjetischen Bewegung hervorgingen und von der chinesischen Botschaft in Bern unterstützt wurden, die ihrerseits als wichtige Drehscheibe für die Propaganda der Volksrepublik in Westeuropa unter strenger Bewachung des Staatsschutzes stand. Mit der Euphorie von Teilen der 68er-Bewegung für die Kulturrevolution entfalteten diese Freundschaftsvereine eine gewisse gesellschaftliche Breitenwirkung. Selbst auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung um 1975 zählte die Gruppierungen «Freundschaft mit China» und «Connaissance de la Chine» in der Schweiz jedoch nicht mehr als 1500 Mitglieder (S. 182). Mit dem Tod seines Namensgebers im Folgejahr verblasste der Reiz am maoistischen Aktivismus zunehmend. In den 1980er Jahren warben die prochinesischen Vereinigungen mit ihrer Medienarbeit und Reisevermittlung nicht mehr gegenüber der radikalen Linken, sondern gegenüber dem liberalen politischen und wirtschaftlichen Establishment. Ihr Lobbyismus für das chinesische Regime fand mit der gewaltsamen Niederschlagung der Protestbewegung im Juni 1989 ein vorläufiges Ende.

In den Kapiteln 7 bis 9, die den dritten und letzten Teil der Studie bilden, geht Cordoba der politischen Kultur der prochinesischen Aktivisten nach. Er streift die Übernahme der maoistischen Ikonographie in der westlichen Populärkultur und führt aus, wie sich die pekinghörige Splitterpartei in der Schweiz durch ihre starre Übernahme des wilden Zickzackkurses der Propagandalinie ideologisch verrenken musste und etwa durch ihre Befürwortung von Atomenergie und forcierter Landesverteidigung gemäss der Theorie der drei Welten auch innerhalb der Linken isoliert dastand. Eine zentrale Rolle spielten die organisierten Reisen ins Reich der Mitte, wo den «Freunden Chinas» an touristischen Hotspots wie dem Kaiserpalast in Beijing und der Grossen Mauer, sowie in Schulen, Fabriken und Volkskommunen das richtige Verständnis eingeimpft wurde, das sie nach ihrer Rückkehr in die Schweiz weitervermitteln sollten. Exemplarisch hebt Cordoba das Schicksal der sino-belgischen Schriftstellerin Han Suyin hervor, die seit Beginnder 1960er Jahre von Lausanne aus mit Inbrunst in der ganzen Welt an Konferenzen und in Interviews die kurvenreiche Parteilinie der KPCh vertrat.

Zusammenfassend analysiert Cordoba die schweizerisch-chinesischen Freundschaftsbeziehungen als klientelistisches Abhängigkeitssystem, aus welchem alle Beteiligten ihre materiellen und ideellen Profite ziehen konnten (S. 299). Zwar musste der Autor auf Grund der fehlenden Zugänglichkeit auf die Auswertung chinesischer Archive weitgehend verzichten. Dennoch besticht die detaillierte Studie des Neuenburger Historikers durch den Reichtum an ausgewerteter Literatur, schriftlichen Quellen und Zeitzeugengesprächen.

Anmerkungen
1 Michele Coduri, La Suisse face à la Chine. Une continuité impossible? 1946–1955, Louvain-la-Neuve 2004.
2 Ariane Knüsel, China’s European Headquarters. Switzerland and China during the Cold War, Cambridge 2022
3 Cyril Cordoba, China-Swiss Relations during the Cold War, 1949–89. Between Soft Power and
Propaganda, London 2022.

Zitierweise:
Bürgisser, Thomas: Rezension zu: Cordoba, Cyril: Au-delà du rideau de bambou. Relations culturelles et amitiés politiques sino-suisses (1949–1989), Neuchâtel 2020. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 73(1), 2023, S. 90-92. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00120>.

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